Wirksame Überwachung des Parkens ist kein Polizeistaat

Irritiert zeigen sich die Vereine VCD, FUSS e.V. und weGErecht über die Aussagen des Leiters der Kommunalen Verkehrspolizei, Günter Pleil, zur Überwachung des ruhenden Verkehrs in Darmstadt. In einem Artikel im Darmstädter Echo hatte Pleil die Forderung nach intensiveren und wirkungsvolleren Kontrollen des ruhenden Verkehrs unter anderem mit den Worten „Wollen wir ein Polizeistaat werden?“ abgelehnt.

„Dieser Vergleich von Herrn Pleil zeugt nicht nur von einer untragbaren Dienstauffassung des Chefs der Kommunalpolizei, sondern enttarnt auch eine dramatischen Geschichts- und Rechtsunkenntnis.“ stellen die Vorsitzenden von weGErecht Stephan Voeth und VCD Darmstadt-Dieburg Sabine Crook fest. „Ausgerechnet die dringend erforderliche und zudem gesetzlich verpflichtende Durchsetzung demokratisch erwirkten Rechts als Kennzeichen eines Polizeistaates abzuqualifizieren, ist eine bodenlose und geschichtsvergessene Frechheit. Wir erwarten, dass die Stadtspitze, die Herr Pleil hier vertritt, sich von diesen Aussagen klar distanziert und Konsequenzen zieht.“ so Crook und Voeth einstimmig.

Die beiden Vereinsvorsitzenden erinnern in diesem Zusammenhang daran, dass ein Polizeistaat als Gegensatz zum Rechtsstaat definiert wird. (siehe Definition im Anhang). „Den Rechtsstaat aktiv auszuhöhlen und dies mit einem drohenden Polizeistaat zu begründen ist eine Farce.“ ärgert sich Voeth, dessen Verein weGErecht sich seit nunmehr über zwei Jahren mit der Durchsetzung der geltenden Rechtslage auch im Bereich des illegalen Parkens beschäftigt.

„Es gilt zwar bei der Ahndung von Parkverstößen grundsätzlich das von der Stadt immer wieder angeführte Opportunitätsprinzip – also die Entscheidung der Behörde im pflichtgemäßen Ermessen über ihr Tätigwerden. Im Gegensatz zu den Vorstellungen der Herren Partsch, Reißer und Pleil, bedeutet dies aber keine Narrenfreiheit bei der Rechtsdurchsetzung.“ stellt Voeth klar. „Gehwegparken ist in der Regel mit deutlichen Behinderungen für Gehwegnutzer verbunden und kann mitunter auch eine erhebliche Gefährdung darstellen, das hat der Bund in der VwV-StVO (Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung) klargestellt. Über die gesetzliche Pflicht zur Abwehr von Gefahren kann sich die Ordnungsbehörde nicht einfach und erst recht nicht dauerhaft hinwegsetzen.“ so Voeth.

„Der Bund hat in dieser Verordnung gleichzeitig einen restriktiven und abschließenden Kriterienkatalog aufgestellt, wann Gehwegparken ausnahmsweise erlaubt werden kann. Dazu zählt, dass das Gehwegparken nur zugelassen werden darf, wenn ‚genügend Platz für den unbehinderten Verkehr von Fußgängern gegebenenfalls mit Kinderwagen oder Rollstuhlfahrern auch im Begegnungsverkehr bleibt‘. Die von den Herren Pleil und W. vorgetragenen Argumente wie Parkdruck und ‚Verständnis‘ für die Belange der Autofahrer werden darin nicht erwähnt.“ berichtet Voeth. „Eine unbehinderte Begegnung von Rollstühle oder Kinderwagen ist bei den in Darmstadt häufig verbleibenden Restbreiten aber ausgeschlossen.“ erläutert Crook.

„Das Vorgehen der Stadt ist nicht mehr mit Ignoranz durch Wegschauen zu erklären, sondern ist ein bewusster und mutwilliger Rechtsbruch durch Untätigkeit.“ konstatiert Voeth. Sylke Petry, Vorstandsmitglied und Landessprecherin Hessen bei FUSS e.V., reibt sich an der Aussage, dass es im Umfeld der Krankenhäuser ein gewisses Verständnis für die Nöte der Besucher und Angestellten gebe. Petry: „Im Umfeld der Darmstädter Krankenhäuser steht genügend Parkraum zur Verfügung. Wenn es in Krankenhäusern einen Notfall gibt, hat das sicherlich nicht damit zu tun, das jemand keinen kostenlosen Parkplatz findet. Die Verwendung des Wortes ‚Not‘ finde ich in diesem Zusammenhang sehr unangemessen.“

Für scharfe Kritik sorgt bei den Vorstandsmitgliedern der beiden Vereine auch die despektierliche Darstellung von Herrn Pleil, dass er vermehrt „ganz spezielle Aufträge“ von Leuten bekomme, „die nur ihre eigene Nachbarschaft im Blick haben.“ Crook, selbst Anwohnerin in einer Straße, wo der Gehweg ständig ungeahndet bis auf ca. 40 cm Restbreite auf dem Gehweg zugeparkt ist, kennt dies aus eigener Erfahrung. „Dass sich die Beschwerden vermehrt auf Wohnumfeld konzentrieren, ist doch klar. Wenn erkennbar stadtweit keine Besserung eintritt, konzentrieren sich die Menschen auf ihr unmittelbares Lebensumfeld, wo sie sich am meisten bewegen und wo das Problem daher für sie am größten ist.“ erläutert Crook. „Anstatt diesen Hilferuf ernst zu nehmen und seinem gesetzlichen und dienstlichen Auftrag zur Gefahrenabwehr nachzukommen, macht er sich in der Presse über die Menschen lustig und unterstellt ihnen erkennbar, die Kommunalpolizei zur Auslebung persönlicher Streitigkeiten missbrauchen zu wollen. Das mag im Einzelfall zutreffen, aber das wahre Problem hinter den Beschwerden kann oder will er offensichtlich nicht erkennen.“ so Crook.

VCD-Vorsitzende Crook: „Das einzige Rechtsgebiet mit dessen Prinzipien sich Herr Pleil hingegen offenbar gut auszukennen scheint, ist das Faustrecht – das Recht des Stärkeren sich zu nehmen was er kann und möchte. Das sind in diesem Fall die Autofahrer, die ihr Fahrzeuge nahezu überall abstellen dürfen und keinerlei Restriktionen zu fürchten brauchen. Die Meinung von Herrn Pleil, dies gehöre in einer Großstadt dazu, mag in privater Runde am Stammtisch angemessen sein. Sie aber im Dienst zu befolgen und zudem öffentlich zu vertreten, ist vollkommen inakzeptabel. Unter die Räder kommen wie üblich die Belange des schwächeren Verkehrsteilnehmer: Fußgänger und Radfahrer im Allgemeinen, aber speziell Mobilitätseingeschränkte, Alte und Kinder. Eben diesen Personen verweigert Herr Pleil den gesetzlichen Schutz.“

Konsequenzen durch den Oberbürgermeister als gesetzliche Ordnungsbehörde seien nun unumgänglich. „Die fachlich und dienstlich verantwortlichen Herren Partsch und Reißer haben die Gesamtverantwortung für die Kommunalpolizei und damit auch für Herrn Pleils Einlassungen. Sie nehmen jedoch erkennbar lieber die Gefährdung und Gängelung einer großen Zahl schwacher Verkehrsteilnehmer in Kauf, um es sich nicht mit einer sprachkräftigen Auto- und Parkplatzlobby zu verscherzen.“ so Crook abschließend.

Die hiermit vorliegende Stellungnahme von Fuss e.V. VCD und weGErecht erfolgt erst jetzt, da wir Herrn Pleil zunächst die Möglichkeit eingeräumt haben, von seinem Anspruch auf Gegendarstellung, Widerruf oder Berichtigung in der Presse Gebrauch zu machen. Trotz eines expliziten Hinweises an Herrn Pleil auf diese Möglichkeiten, machte dieser innerhalb der ihm erklärt eingeräumten mehrtägigen Wartefrist für die hiermit vorliegende Erklärung keinen Gebrauch.

 

Definition: Rechtsstaat

Der Staat muss die Gesetze beachten

Das ist die Bezeichnung für einen Staat, in dem alles, was der Staat tut, nach den Regeln der Verfassung und den geltenden Gesetzen erfolgen muss. In Deutschland gibt das Grundgesetz diese Regeln vor. Darin steht unter anderem, dass alle Menschen gleich zu behandeln sind und dass für alle Menschen die gleichen Rechte gelten. In einem Rechtsstaat sollen sich die Bürgerinnen und Bürger darauf verlassen können, dass ihre Rechte vom Staat geschützt werden. In Deutschland überprüfen Gerichte, ob der Staat die Gesetze einhält und die Rechte seiner Bürgerinnen und Bürger schützt.

Der Gegensatz des Rechtsstaates

Der Gegensatz zum Rechtsstaat ist ein Polizeistaat oder eine Diktatur. Dort hält sich der Staat an keinerlei Verfassung oder Grundgesetz. Dort haben die Menschen auch nicht die Möglichkeit, für ihr Recht vor Gericht zu kämpfen. In einem Polizeistaat oder einer Diktatur bestimmen die Machthaber, was gilt. Recht und Gerechtigkeit sind keine Grundsätze, die in Diktaturen gelten.

Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung, abgerufen am  22.08.2018/6:45 Uhr; im Original aus Gerd Schneider / Christiane Toyka-Seid: Das junge Politik-Lexikon von www.hanisauland.de, Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung 2018.

 

Die ist eine gemeinsame Pressemitteilung der Verbände FUSS e.V. Hessen, VCD Darmstadt-Dieburg und weGErecht e.V.

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